Zugegeben, wer ein Haus betritt, in dem dunkle Möbel einen begrüßen oder ein Sekretär mit verschnörkelten Holzbeinen im Eingangsbereich steht, kucken sich die Meisten irritiert um, denn sie vermuten vielleicht ein altes Ehepaar hinter der nächsten Tür, schließlich wirkt doch alles sehr „antiquiert“. Dass das Wort, das bereits darauf schließen lässt, dass Antiquitäten hier das Interieur stellen, nicht zwingend in Verbindung mit der älteren Generation stehen muss, wird heute immer deutlicher, denn aufbereitete, restaurierte Möbel liegen wieder im Trend.
Antike Möbel mit Charakter
Was auf den Laien wirkt wie die Wohnungseinrichtung von den Großeltern, zeigt dem Kenner, dass hier ein Einrichtungsprofi am Werk war, denn antike Möbel und Heimtextilien sind ideal aufeinander abgestimmt.
Kleine Epochenkunde in Bezug auf antike Möbel
Wer sich in der Epochenkunde für antike Möbel auskennt, kann Rückschlüsse darauf ziehen, wann diese Ornamente entstanden sein könnten.
Während Epochen in der Literaturgeschichte bereits fest verankert sind und jedem Schüler spätestens in den höheren Klassen ein Begriff sein dürften, klingt Epochenkunde in Bezug auf Möbel doch etwas merkwürdig. In Wirklichkeit jedoch lassen sich diese Epochen auch an den Möbeln ablesen:
– Die Epoche des Barock beginnt ab 1600 und lässt sich leicht erkennen. Die Möbel, die zu dieser Zeit entstanden sind, sind verschnörkelt und überladen und wirken zeitweise sogar ganz seltsam auf den Betrachter. Die Geburtsstunde der barocken Möbel war in Flandern. Deutsche barocke Möbel entstanden erst zur zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Auch der französisch geprägte Barock durfte dann Einzug halten. In dieser Epoche entstanden der Kugelfuß und das Säulenbein. Die Möbelkultur wird prunkvoller.
Die Epoche des Rokoko und der Konsoltisch
– Die Epoche des Rokoko, die häufig auch als Spätbarock bezeichnet wird und um 1720 beginnt, löste gleichsam den schweren Prunk des Barocks ab und wird zunehmend zierlicher, aber auch verspielter. Die Formen sind gebogen und geschweift. Symmetrisch ist hier nichts, stattdessen präsentieren sich die Möbelstücke in dieser Epoche elegant und fast schon anschmiegsam. Neu auf der Möbelbühne erscheint der Konsoltisch. Auch Licht, Spiegel und Farben sind Zeichen des Rokoko.
– Logik, Ernst und Moral sind Zeichen der Epoche des Klassizismus, die ab circa 1770 beginnt. Auch wenn vom Zopfstil, von Empire oder Biedermeier die Rede ist, bedeutet das, dass hier Möbel aus dem Klassizismus bezeichnet werden. Eine Blumengirlande steht für den Zopfstil, wuchtiger werden die Elemente des Empire, und der Biedermeier-Stil steht für bürgerliches Wohnen in Deutschlands.
– Die Epoche des Historismus ist ab circa 1830 anzusiedeln. Zu dieser Zeit stirbt die Individualität in weiten Stücken aus, denn die Industrialisierung ermöglicht die serielle Fertigung. Typisch für diesen Möbelstil ist ein bunter Mix aus Ornamenten und Formen, die aus allen vorangegangenen Epochen stammen. Auch eine wahre Besinnung auf traditionelle Originale wird deutlich, ebenso wie die Tendenz zur pompösen Darstellung.
– Die Epoche der Klassischen Moderne ist buchstäblich unfassbar, wohl aber als Antwort auf den Verlust an Individualität zu betrachten. Rustikales und Robustes ist das neue Möbelgesicht, was sich neben den Wunsch nach Funktionalität reiht, der sich in praktischen Schrankwänden zeigt.
– Die Epoche um 1900 wird als Jugendstil-Epoche bezeichnet. Blumen, Dekoration und geschwungene Linien sind Zeichen dieser Möbelepoche, die einmal mehr verhindern will, dass die industrielle Produktion sich in die Häuser und Wohnungen einschleicht. Auch die Idee, Zweck und Nutzen in einer ansehnlichen Form zu verbinden, ist ein Gedankenkonstrukt und auch eine Forderung dieser Zeit.
Die Epoche Art Deco
– Metall, Synthetik und geometrische Formen sind die Zeichen des Art Deco, der Epoche die ab 1910 deutlich wird und im Grunde nur eines von vielen Kapiteln im Buch der Klassischen Moderne ist. Auch auffällig: Lacke sowie exotische Hölzer werden in dieser Zeit gesellschaftsfähig. Doch auch Traditionalisten sind weiterhin vertreten, die zwar auf Kontur und Schwung setzen, allerdings auch die Verarbeitung betonen.
– Nach den wohlklingenden Möbelvarianten, soll sich nun ab 1919 eine neue Generation von Möbeln entwickeln, die auf den ersten Blick wahrlich unspektakulär heißt, denn nun beginnt der Bauhaus-Stil. Der Name geht allerdings auf eine bedeutende Kunstgewerbeschule zurück, die in Weimar gegründet wurde und die Handwerker und Künstler an einen Tisch brachte. Typisch für diese Epoche waren geometrische Formen sowie eine bewusste Abkehr von Jugendstil und Historismus. Noch heute werden diese Möbel gerne restauriert, wie zum Beispiel alte Bauhaus Möbel und wirken so ordentlich in Szene gesetzt ganz und gar nicht wie von anno dazumal.
Was sind die alten Epochen noch wert?
Paradestücke mit Kultcharakter sind auf diesem Bild zu sehen. So aneinandergereiht sind sie auch ein Statement – gegen den Gleichklang im großen Werk der Einrichtungsoptionen.
Wer die kleine Epochenkunde bewusst und aufmerksam studiert hat, dem ist sicherlich aufgefallen, dass kaum eine dieser Epochen heute noch genutzt wird, um auf traditionelle Möbel zu verweisen. Heute hingegen heißt der angesagte Trend-Stil Vintage, obgleich ein Blick auf diese verschnörkelten Beine des Couchtisches doch fast eine historische Epoche erahnen lässt und auch die hier vorgestellten Vintage-Esstisch-Ideen zeigen eigentlich nur, dass alte Möbel sich heute durchaus sehen lassen können, denn wenn die passende Farbe die traditionellen Formen gekonnt in Szene setzt, dann können auch vermeintlich alte Einrichtungsgegenstände zum Must-Have im Wohnraum werden.
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Abbildung 6: pixabay.com © Monoar (CC0 Public Domain)
Ramona Berger
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